Dreier´s Bücherwelt: Der kleine Magier


   Es war noch früh am Morgen, als Wido erwachte und aufstand. Wie in Trance ging er zuerst in die Küche, dann in das Wohnzimmer und blieb neben dem schlafenden Peter stehen. Langsam glitt seine Hand in die Hosentasche und ergriff den sich darin befindlichen Gegenstand. Er fühlte sich seltsam und zugleich vertraut an. Er hatte die Form eines Taschenmessers, war aber keines. Seine Finger umspielten den Gegenstand eine kurze Zeit lang, dann nahm er ihn in die Hand. Seine Hand fing an zu vibrieren, sobald sich seine Faust schloss. Es war ein seltsames Gefühl, das ihn dabei durchdrang. Es fühlte sich warm und wohltuend, aber auch kalt wie der Tod an. Langsam zog er seine Hand aus der Tasche. Den Gegenstand in der geschlossenen Faust, hob er sie vor seine Augen. Vorsichtig öffnete er sie und sah ihn sich an. Ihm fuhr ein Lächeln übers Gesicht. Er schloss die Faust wieder und erhob sie über seinen Kopf. Dann sauste sie auf Peter nieder.

   

   Mawas stand am Fenster seines Labors und sah den Lavaströmen zu, wie sie langsam die Berge herabflossen. Immer wieder fixierte er einen markanten Fleck und verfolgte seinen Weg.

   »Meister! Alle sind tot!«, rief ein Diener, der aufgeregt in das Labor stürmte.

   Mawas löste langsam seinen Blick von den Lavaströmen und drehte sich zu dem Eindringling. »Genau so, wie ich es geplant hatte. Peter hat mich nicht enttäuscht.«

   »Aber ...?«

   »Ist schon gut. Wir werden uns neue besorgen. Schauen wir einmal, ob mein zweites Vorhaben ebenso gut gelingt.« Mawas ging zu seinem Labortisch und sah in den dort stehenden Spiegel. Zuerst sah er nur sein eigenes Spiegelbild, das aber langsam zu verblassen begann. Von Sekunde zu Sekunde war das, was er sehen wollte, deutlicher zu erkennen. Ein kleiner Junge saß zusammengekauert auf einem Bett. Er hatte den Kopf zwischen die Beine gelegt und schien zu weinen. Der Junge hob langsam seinen Kopf und sah starr vor sich hin.

   »Kann er uns sehen?«, fragte der Diener.

   »Nein, aber er wird uns sicherlich spüren.«

   

   Arnold stand auf und sah sich verängstigt um. »Wer ist da?«

   »Hallo, Peter. Wo ist mein Eigentum?«

   Arnold zuckte bei den Worten zusammen und griff an seine Brust.

   »Da hast du den Beutel also versteckt.«

   Kurz darauf erschien vor Arnold ein seltsames Licht. Geblendet ging er einige Schritte zurück. Es dauerte nicht lange und Mawas stand vor ihm.

   »Gib mir den Beutel, Peter.«

   »Nein! Das werde ich niemals tun.«

   »Zwinge mich nicht, dir oder deinen Freunden weh zu tun.« Mawas Stimme wurde mit jedem Satz lauter und eindringlicher. »Gib mir den Beutel.«

   Arnold griff sich erneut an die Brust, dann holte er langsam den Beutel hervor und öffnete ihn.

   »Du glaubst doch nicht, dass du mich damit von meinem Vorhaben abhalten kannst?«

   Vorsichtig griff Arnold in den Beutel und nahm eine winzige Menge vom Pulver heraus.

   »Hostnu jints kromta xrul!«, rief Mawas.

   Noch bevor Arnold seinen Zauber beginnen konnte, traf ihn die Magie von Mawas. Ein gewaltiger Schlag schleuderte ihn gegen die Wand, wo er benommen liegen blieb. Der Aufprall raubte ihm die Luft. Angestrengt versuchte er zu atmen, aber die Lungen wollten sich nicht mit Sauerstoff füllen. Es dauerte nicht lange, da verlor er vollends das Bewusstsein. Mawas ging auf den leblosen Körper zu. Als er ihn erreicht hatte, bückte er sich zu ihm hinunter.

   »Das hättest du dir auch ersparen können.« Er griff nach dem Beutel und riss ihn von Arnolds Hals. Kaum hatte er ihn in der Hand, da wurde sein Gesicht wütender. »Das kann nicht sein!« Vorsichtig wog er den Beutel in der Hand, dann sah er hinein. Es befand sich nur eine winzig kleine Menge des Pulvers darin. Voller Zorn wandte er sich wieder an Arnold. »Wo ist der Rest?«, schrie er ihn an, aber Arnold reagierte nicht. »Mokto isna klat!« 

   Arnold machte einen tiefen Atemzug. Angestrengt sog er die Luft ein und hustete. Ihm war so übel, dass er sich beim zweiten Atemzug übergeben musste.

   »Wo ist der Rest!«, wiederholte Mawas und hielt ihm den Beutel vor das Gesicht. Als Arnold ihn ansah, erschrak Mawas. Er wich zurück und sah sich den Jungen genauer an. »Das kann nicht sein! Das ist unmöglich! Romtna witno hajy lompa quat!«

   Arnolds Körper krümmte sich, dann streckte er sich wieder. Seine Arme und Beine wurden länger und sein Gesicht älter. Es dauerte nur wenige Sekunden und Arnold war wieder er selbst. Als er dies bemerkte, musste er lachen.

   Mawas starrte verärgert auf den am Boden liegenden Mann. 

   »Wo ist Peter?«, schrie er ihn an. 

   Arnold lachte weiter, ohne auf die Frage einzugehen.

   »Wo ist Peter? Jonka frat knja!«

   Arnold verstummte augenblicklich. Etwas schien sich um seinen Hals gelegt zu haben und schnürte ihm die Luft ab. Seine Kehle verengte sich zunehmends. Angestrengt schnappte er nach Luft, aber mit jeder Sekunde wurde es schwieriger.

   »Wo ist Peter?«

   Arnold versuchte etwas zu sagen, aber kein Laut wollte über seine Lippen kommen. Er versuchte die Umklammerung an seinem Hals zu entfernen, griff dabei aber ins Leere. Immer wieder kratzte er am Hals, bis dort kleine Bluttropfen zu sehen waren. Kurz bevor er wider das Bewusstsein verlor, füllten sich seine Lungen.

   »Wo ist Peter?«

   Es war aber nur ein einziger Atemzug, den Mawas zuließ. Verzweifelt sah Arnold zu Mawas und flehte ihn mit seinen Händen an, damit aufzuhören. Wenig später konnte er wieder atmen.

   »Wo ist Peter?«

   »Er ... Wohnung ... oben ...», mehr konnte Arnold nicht sagen, da ihm das Atmen immer noch schwerfiel.

   »Was stammelst du da?«

   Arnold versuchte sich zu konzentrieren und ruhiger zu atmen. Er sammelte all seine Kraft und legte sie in seine letzten Worte. »Jontna hostded boncutz quatr si!«, rief er so laut er konnte.

   Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, da löste sich von seinem Körper eine Energiekugel. Verblüfft über den Angriff starrte Mawas auf die auf ihn zurasende Kugel. In Windeseile baute er einen Schutz auf, den die Kugel jedoch ungehindert passierte. Darauf hin versuchte er es mit einem noch stärkeren Schild aus magischer Energie. Diesmal stoppte die Kugel, bevor sie die Barriere erreichte. Mawas sah zu Arnold, der halb bewusstlos am Boden lag und die Kugel zu kontrollieren schien. Kurz darauf raste ein Energiespeer auf Arnold nieder und durchbohrte ihn. In diesem Augenblick setzte sich die Energiekugel wieder in Bewegung. Sie traf die Barriere von Mawas und zerplatzte daran. Arnold sah noch, wie die Kugel die Barriere traf, dann verließen ihn die Kräfte.

   Mawas war so verärgert darüber, dass Arnold ihm Peters Aufenthaltsort nicht verraten hatte, dass er, nachdem die Energiekugel zerplatzt war, einen Energiestoß nach dem anderen in den Raum entließ. Bald war der Raum vollkommen zerstört. Nachdem Mawas den letzten Energiestoß ausgesendet hatte, entfernte er die Schutzbarriere und verschwand.