Einige Stunden später öffnete Peter die Augen. Als er versuchte sich aufzurichten, brach er vor Schmerzen zusammen. Der aufkommende Schwindel besorgte den Rest, er musste sich übergeben. Ihm kam es vor, als ob jeder einzelne Zentimeter seines Körpers mit Wunden übersät war. Die Schmerzen waren kaum zu ertragen. Es vergingen mehrere Stunden, bis er genügend Kraft hatte, um zumindest die stärksten Schmerzen lindern zu können. Irgendwann gelang es ihm, sich aufzusetzen. Er staunte, als er um sich blickte. Er lag nicht mehr in einem Krater, sondern auf einem Hügel. Rings um ihn herum ging es mehrere hundert Meter steil bergab. In weiter Ferne konnte er andere Berge sehen, die aber wesentlich höher waren. Von diesen floss Lava in roten Adern hinab. Da begriff er langsam, was geschehen war. Er hatte die Umgebung um sich herum zerstört. Dabei war nur der Krater als Berg zurückgeblieben. Von der Festung fehlte jede Spur. Peter durchfuhr ein ungutes Gefühl.
Was war mit Mawas geschehen?
Wie komme ich jetzt wieder zurück?
Das Tor in seinem alten Zimmer der Festung war nicht mehr vorhanden. Er stand allein mitten auf einem Hügel, von dem man nicht herabsteigen konnte, da die Wände zu steil und glatt waren. Gerade als sein letzter Mut schwinden wollte, kam ihn eine Idee. Hastig suchte er in seinen Gedanken nach dem Zauber, den er damals für seine Flucht verwendet hatte. Als er sich daran erinnerte, kramte er in seinen Taschen nach etwas, was aus der anderen Welt stammte. In seiner rechten Beintasche fand er das Foto, auf dem seine Eltern abgebildet waren. Er legte das Foto auf den Boden, nahm etwas von dem Pulver aus dem Säckchen und streute es darüber. Noch bevor das Pulver das Bild erreichte, begann er mit dem Zauber.
»Witra Quart pontru zraste.«
Das Pulver leuchtete auf und setzte sich auf das Bild ab.
»Hnbra jutsm pistre xvera sot.«
Die Konturen der Abgebildeten verschwammen zunehmends. Das Bild löste sich langsam aber stetig auf.
»Listro ytre wkztu natr.«
Das Bild und das Leuchten waren verschwunden. Peter atmete tief durch und ging einen Schritt nach vorne, auf die Stelle, an der das Bild gelegen hatte. Langsam streckte er seinen Arm aus und sah, dass dieser vor seinen Augen im Nichts verschwand: Er hatte es geschafft. Er schaute sich noch einmal um, dann schritt er mit einem erleichterten Lächeln durch das magische Tor.
Hans half bei den Aufräumarbeiten. Er verband Verletzte, die er auf seinem Weg durch die Stadt fand. Er half Verschüttete zu befreien und organisierte weitere Helfer, wenn welche benötigt wurden. Die Arbeiten lenkten ihn von dem trostlosen Gedanken an Peter ab. Es waren zwei Tage her, seitdem das Beben die Stadt erschütterte. Die Aufräumarbeiten dauerten immer noch an. Man fand keine Überlebenden mehr, aber auch die Toten mussten geborgen und beerdigt werden. Hierzu legte man diese in einen nicht mehr zu rettenden Tunnel. Er sollte nach Abschluss der Arbeiten gesegnet und versiegelt werden. Hans ging zu dem Tunnel. In seinen Armen trug er einen Jungen in Peters Alter. Sanft legte er ihn neben seine Mutter, die ebenfalls das Beben nicht überlebt hatte. Als er die Arme der Frau um den Jungen legte, durchfuhr ihn ein schrecklicher Verdacht.
»Peter!«
Der Name seines Sohnes schoss wie ein Blitz durch seine Gedanken. In seinem Kopf formten sich Bilder, die schrecklicher waren, als alles, was er bisher gesehen hatte. Er korrigierte noch einmal die Haltung der Frau und des Jungen, dann richtete er sich auf und betrachtete beide nachdenklich. Auf einmal spürte er eine Vertrautheit, wie er sie nur dann spürte, wenn sein Sohn in der Nähe war. Langsam drehte er sich um und sah zum Eingang des Tunnels. Dort stand eine kleine Gestalt und sah in seine Richtung. Hans ging zuerst langsam und dann immer schneller auf die Silhouette zu. Als er noch etwa drei Meter vor dem Eingang des Tunnels war, blieb er stehen. Es dauerte einige Sekunden, bis ihm bewusst wurde, dass es nicht Peter war. Es war ein anderer Junge, der gekommen war, um sich von seinem Freund zu verabschieden. Mit Tränen in den Augen nahm er den Jungen an die Hand und führte ihn zu dem, den er gerade neben seine Mutter gelegt hatte. Er ließ den Jungen allein, damit er sich in Ruhe verabschieden konnte. Mit gesenktem Kopf und tief in Gedanken an seinen Sohn verließ er den Tunnel. Er nahm nichts wahr, was um ihn herum geschah. Langsam ging er weiter, bis er vor einem der Ausgänge zur Oberwelt stand. Als ihm jemand auf die Schulter tippte, zuckte er kurz zusammen.
»Die Verbindungen sind alle blockiert. Es wird noch einige Tage dauern, bis wir zumindest einen von ihnen wieder passieren können«, sagte jemand zu ihm.
Hans stand immer noch an der Stelle, als der Mann gegangen war, der ihm diese Nachricht gab. Er starrte auf die Tür und drückte auf den Knopf, jedoch ohne Erfolg. Die Tür blieb verschlossen. Er versuchte es immer wieder, ohne auf die Umgebung zu achten.